Ich frage mich, ob es salutogenetisch wichtig ist, ob Einsamkeit bewusst und absichtlich gewählt oder als Zumutung des Schicksals erlebt wird. Das Schicksal führt nur den Willigen, heißt es, der bereit ist, loszulassen und zu akzeptieren. Liebe und Leid, die schwierigen Schwestern der indoeuropäischen Mythologie. Sie sind immer zu dritt, um auch dem Übergang der Gegenwart ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Nornen und Moiren, das sind die weisen alten Frauen, denen wir uns alle stellen müssen. Vielleicht entspricht es meinem Selbstentwurf, auch allein glücklich zu sein, weil ich dann besser zu mir finde? Vielleicht sind alle Bemühungen um soziale Beziehungen immer auch fremdbestimmt und äußerlich? Gibt es ein richtiges Leben im falschen?, fragt Theodor W. Adorno in seiner Minima Moralia. Ich glaube nicht. Außer jemand redet sich ein, dass Konventionen und Kompromisse das richtige Leben abbilden. Mit diesen Gedanken komme ich heute morgen schwer aus dem warmen Schlafsack. Es wird gerade hell, und im Turm der Barsikower Kirche ist es eisig kalt. Jetzt Ende März hat das Kirchengemäuer noch nicht bemerkt, dass es sich draußen frühlingshaft regt. Doch es dämmert bereits und ich will früh aufbrechen.
Um acht Uhr bringt mir der Herbergsvater, wie verabredet, drei Brötchen: frisch und noch warm. Kleine, blasse Baguettes. Für das übrige Frühstück bediene ich mich aus den vorhandenen Vorräten der Herbergsküche. Der Raum ist so eng, dass ich mich kaum umdrehen kann. Vor der Tür des Vorratsschranks stehe ich mir selbst im Weg, sodass sie sich nur einen Spalt weit öffnen lässt. Mit verdrehtem Arm hole ich mir Tee, Marmelade und Butter durch den Spalt. Der elektrische Wasserkocher steht außen neben der Küchentür. Ich bin zufrieden: eine Küche, in der ich heißes Wasser bekommen kann. Forsch nehme ich mir die letzte Banane vom Sims. Für später, für unterwegs. Ein guter Start in den Tag. Ich will mich verabschieden, aber der Herbergsvater lässt mich noch nicht gehen. Sein Pilgersegen bildet den Abschluss meines Besuchs. Ungefragt setzt er mein Einverständnis voraus. Warum auch nicht! Erneut werde ich zum Pilger gemacht. Ich will ihn nicht enttäuschen, und obwohl ich konfessionslos bin, sage ich nichts. Außerdem ist es dumm, angebotene Glücks- und Segenswünsche auszuschlagen. Was hat der mit magischen Worten aufgeladene Wunsch für mich, sicher durch den Tag zu kommen, ursächlich mit einer Konfession zu tun? Der Herbergsvater greift zu den Mitteln, die ihm seine Konfession bietet. Ich muss damit beginnen, zwischen den in meiner Kindheit und Jugend entstandenen Abneigungen gegen alles Konfessionelle und den Menschen, die mir zugewandt und freundlich begegnen, zu unterscheiden. Kurz darauf stehe ich in der Kirche und vor den Altar. Dort liest er mir aus den Herrnhuter Losungen die Sprüche des Tages vor und legt sie für mich aus. Die Tageslosung thematisiert den uralten Konflikt, sich dem Guten oder dem Bösen zuzuwenden, katholisch gedeutet, Resultat des freien Willens im Psalm 141.4 und einer Stelle im Jakobusbrief, die von der moralischen Verpflichtung spricht, Gutes zu tun, Kants kategorischen Imperativ vorwegnehmend. Aus dem Zusammenhang gerissen, enthält das Jakobuszitat nichts mehr von der Radikalität, mit der der hebräische Denker seine Mitmenschen und Zeitgenossen einst konfrontierte. "Ich beginne jeden Morgen mit den Losungen," sagt er anschließend zu mir, "die geben mir Orientierung und Kraft für den bevorstehenden Tag." Ich frage mich ernsthaft, ob solche Losungen nicht ein Kanon für die soziale und ökologische Umkehr unserer Gesellschaft sein können. Es macht Sinn, sich täglich neu seiner Postion und Haltung im sozialen Miteinander zu stellen. Wäre nicht die institutionalisierte Kirche und ihr metaphysischer Ballast, die die Botschaft der frühen Christen weichgespült hat. Noch während ich meinen Gedanken nachhänge, hebt der Herbergsvater beide Arme hoch, seine offenen Handflächen weisen zu mir, spricht seinen Segen und wünscht mir Glück auf dem Weg und Gottes Schutz und Beistand. Ich schaue auf die Bilder in den farbig leuchtenden Fenstern über dem Chor, die im Schein der aufgehenden Sonne fast lebendig wirken.
Gegen neun Uhr bin ich auf dem Weg und gehe in einen schönen Tag hinaus. Angefüllt mit Eindrücken und Informationen über die Barsikower Kirchengeschichte umrunde ich die Kirche zum Abschied, die von außen so überaus nüchtern wirkt. Dann biege ich auf den Feldweg nach Metzelthin ein, den ich gestern Abend gefunden habe und setze meine Wanderung in der markierten Richtung fort. Ich bin wieder auf dem vorgegebenen Weg, nicht mehr gestern auf dem selbstgesuchten. Die Sonne wagt sich mittlerweile schüchtern durch die Wolken, kann aber dem kalten Wind nichts entgegensetzen. Ich freue mich, dass es nicht regnet, und das Licht der Sonne eine optimistische Stimmung zaubert. Das Wandern wärmt mich mit jedem Schritt mehr.
Nach Metzelthin wandere ich durch eine landwirtschaftlich intensiv genutzte Region. Der Weg zwischen den Weiden und Feldern ist von Pappeln und alten Weiden gesäumt, die so früh im Jahr noch keine Blätter tragen. Kopfweiden, die schon länger nicht mehr beschnitten wurden, Entwässerungsgräben, die die genutzten Flächen geometrisch gliedern. Bauschige Kumulustürme am jetzt wieder blauen, ausgeregneten Himmel. All das drückt der vermoorten Luchlandschaft ihren Stempel auf, die meinen Blick in die Weite zieht. Das Gehen fällt mir leicht. Während ich Schritt für Schritt über Pfützen und tief eingeschnittene Reifenspuren hüpfe, verliere ich mich immer wieder in meine Gedanken. Aber durch das Gewicht des Rucksacks und des unebene Wegs verliere schnell wieder. Die meditative Stimmung hält nie lange an, und nach wenigen Kilometern schmerzt auch meine Hüfte wieder. Ohne besondere Absicht denke ich an den Hüftgurt, lockere ihn, und der Schmerz in den Hüften ist verschwunden. Der Gurt saß zu eng, vermutlich hat auf die Gelenke gedrückt. Vom Druck befreit, trödele ich unter den alten Weiden, beschwingter, bis eine Bahnlinie am Dorfrand von Metzelthin den verträumten Augenblick zerbricht. Dort mündet der gewundene Wiesenweg in einen geraden, asphaltierten Wirtschaftsweg und die romantische Stimmung in der Natur löst sich in der Nüchternheit des geordneten Dorfs wieder auf. Gegenüber liegen die ersten Häuser um eine Kirche geschart, deren lanzettförmigen, schlanken Turm ich schon von weitem sehen konnte. Auf den Feldern am Dorfrand suchen Kraniche ihr morgendlichen Futter. Nicht zum ersten Mal vermisse ich ein Fernglas.
Die Metzelthiner Kirche Die fast 800 Jahre alte Metzelthiner Feldsteinkirche mit rotem Ziegeldach und holzverkleidetem Glockenturm wurde 1250 gegründet. Sie besitzt einen eingezogenen Chor und breiten Westturm. Eine kleinere Wehrkirche als die in Barsikow, aber anders als dort, sind die schmalen Schießschartenfenster erhalten geblieben. Auf der großen Glocke soll es im Schriftfeld am Hals vier Pilgerzeichen geben, drei aus Werben und eins aus Königslutter. Auch auf der kleinen Glocke sind vier Pilgerzeichen aus unbekannten Wallfahrtsorten eingegossen. Als besondere Zugabe besitzt die kleine Glocke ein Weihekreuz, wahrscheinlich ein Tatzenkreuz des Templerordens. Nach meinen Entdeckungen in Barsikow will ich auch die Pilgerzeichen von Metzelthin sehen, aber die Kirche ist verschlossen. |
Als ich aufbrach, dachte ich nicht an mittelalterliche Kirchen, Heilsgeschichte oder den Reichtum kultureller Hinterlassenschaften, der mir in den brandenburgischen Dörfern so unerwartet begegnet. Anders als heute muss es sich im Mittelalter, als niemand aus touristischen Gründen reiste, um eine bedeutende Region gehandelt haben, eine inspirierende Atmosphäre, in der sich ethnische Identität selbstbewusst äußerte und kulturelle Begegnung sowie interkultureller Austausch von Überzeugungen stattfanden. Es ist mittlerweile weit verbreitet, von einer Landschaft nicht mehr wahrzunehmen, als was von ihr am Zug- oder Autofenster verbeihuscht, das Blick in einem Buch oder Display versenkt. Dass eine Landschaft auch ihre Geschichte ist, wird dieser Ignoranz geopfert. Dabei bietet die Vergangenheit einer Landschaft tiefere Einblicke, die die moderne Welt mit Wahrheiten konfrontiert, die helfen können, Lösungen für ihre Konflikte und Probleme zu finden. Die Gegenwart ist ein essentieller Teil der Vergangenheit und Landschaften vermitteln uns einen einzigartigen Eindruck vom Leben in anderen Zeiten.
Am Tor der Kirche, die inmitten eines Friedhof auf einer kleinen Erhebung steht, sind Öffnungszeiten angeschlagen, aber ich bin viel zu früh angekommen. Abseits der meisten anderen Gräber, ganz am Rand des Friedhofs, fällt ein Grabstein auf, ein Triptychon aus schwarzmeliertem Granit. Die mittlere, große Tafel des Grabstein erinnert, unter einem einfachen, in den Stein geschnittenen Kreuz, an ein tragisches Ereignis. Auf den beiden kleineren Tafeln sind die Namen anderer, verstorbener Mitglieder der Familie Pieper verzeichnet. Die durch Wind und Wetter schwer lesbar gewordene, im ersten Moment nichts wirklich erklärende Gedenkschrift ist dem Bauergutsbesitzer Ewald Pieper gewidmet:
5. April 1879
23. Mai 1921
Durch einen herben Unglücksfall
Bist Teurer uns entrissen
Das Herz wird Dich so manchesmal
Hier unter uns vermissen
Selig sind die Toten
die im dem Herrn sterben!
Noch während ich versuche die Schrift auf dem Stein zu entziffern, öffnet sich im Nachbarhaus hinter mir ein Fenster. Ein alter Mann lehnt sich hinaus und fragt: "Interessiert Sie das Grab. Sie haben wohl schon gelesen, dass ein Unglück den Pieper getötet hat." Und er erzählt mir eine Geschichte, die Auftakt für einen Tatort-Sonntagabend sein kann.
"Früher, im vergangenen Jahrhundert, sind die reichen Bauerngutsbesitzer, die die Ländereien um Metzelthin vom Adel übernommen hatten, auf ihrem eigenen Land zur Jagd gegangen. Zwei Brüder der Familie Pieper aus Metzelthin verfolgten einen kapitalen Hirsch. Der eine der Brüder sah im Wald eine Bewegung, hat sofort geschossen, und seinen Bruder getötet."
"Ich kann mir sicher vorstellen," fährt er mit verschwörerischer Mine fort, „was im Dorf los gewesen ist, und wie das die Mitglieder der Familie getroffen und gegeneinander aufgebracht hat." Friendly Fire denke ich. Ob man so im Herrn stirbt? Welche Gerüchte es damals gegeben haben mag, will ich mir nicht vorstellen. Eine schlimme Geschichte!
"Den Schüssel für die Kirchentür," fügt der Mann beiläufig hinzu, "können Sie sich drüben abholen." Mit ausgestrecktem Zeigefinger weist auf ein Haus gegenüber der Kirche hin, auf der anderen Seite der Dorfstraße. Die Frau, die mir öffnet, ist freundlich und bemüht, aber einen Schlüssel kann sie nirgends finden. "Ich glaube nicht," sagt sie, "dass wir hier noch einen Schlüssel haben. Früher war das so, aber wo die Kirchenfrauen den Schlüssel jetzt verwahren, weiß ich nicht." Enttäuscht, und ohne die Pilgerzeichen gesehen zu haben, mache ich mich auf den Weg nach Wusterhausen.
Ein einsames Herrenhaus Am Weg, hinter einem hohen Zaun, dessen Tor verschlossen ist, thront ein schlichtes, hochherrschaftliches Haus aus dem 18. Jahrhundert, mitten in einem gepflegten Park. Das Haus sieht unbewohnt aus, kein Mensch ist zu sehen, aber auf der Auffahrt vor dem Portal parkt ein schwarzer Mercedes. Dass es sich um das Herrenhaus von Metzelthin handelt, erfahre ich von einer Tafel, die links am Eingangstor angebracht wurde. Bernhard Friedrich von Krosigk, ist zu lesen, hat Haus und Park, beide inzwischen unter Denkmalschutz, 1793 erbaut. Die auch von weitem gut einsehbare Portalfassade, vom Gillyschen Klassizismus beeinflusst, wird durch einen Mittelrisalit mit vier Pilasterpaaren gegliedert, deren Kapitelle Menschenköpfe darstellen. Der neoklassizistische Balkon ist eine spätere Zugabe zur Frontgestaltung des Gebäudes. Ein weiteres Kleinod im sonst so spröden Charme des Havelluchs. Nach 1945 teilte das Haus das Schicksal vieler Herrenhäuser der Region. Es diente als Unterkunft für Flüchtlinge, Kindergarten und der Handelskette Konsum als Einkaufsladen, noch später als Verwaltungssitz der Gemeinde. Erst 1997 erwarben Jutta und Gerd Baeblich das stark heruntergekommene Herrenhaus. Als Sponsoren restaurierten sie es nach denkmalpflegerischen Grundsätzen, um es für die Nachwelt zu erhalten. |
Für mich ein Tag der verschlossenen Türen: Denn wie vorher schon die Metzelthiner Kirche, ist mir auch der Eintritt in Herrenhaus und Park verwehrt.
Nach Wusterhausen orientiere ich immer an der Pfarrkirche Sankt Peter-und-Paul, die über die Felder, die sich in der flachen Landschaft ausdehnen, weithin sichtbar ist. Der gedrungene, mächtige romanische Bau aus dem Jahr 1232 hockt wie eine Glucke über der Stadt. Überall auf den Feldern sind Bauern mit der bevorstehenden Aussaat beschäftigt. Die Stadt Wusterhausen war einst Hafenstadt für den Salzhandel mit Lüneburg, die mit den Geldern des Salzmonopols gebaut und im 15. Jahrhundert vergrößert und weiter ausgebaut wurde. In einer Stadt wie dieser konnten die mittelalterlichen Pilger in der Basilika seit Berlin den nächsten Ablass auf dem Weg zur Wunderblutkirche erwerben.
Es ist Mittag. Als ich Wusterhausen erreiche sind alle Läden und Restaurants, von denen es ohnehin nicht viele gibt, geschlossen. Robbe´s Fleischimbiss ist konkurrenzlos und zur Mittagszeit gut besetzt. Die erste und einzige Wahl am Markplatz, im Schatten des quadratischen, weiß gekalkten und braun gestreiften Kirchturms. Die Fleischportionen sind gigantisch aber beliebt. Immerhin finde ich auf der Karte den vegetarischen Gemüseauflauf von gestern wieder; tellerfüllend, ein erstes warmes Gericht an einem kühlen Tag. Eine Pause! Eine Mahlzeit! Ein Bier!
Die Basilika von Wusterhausen ist geöffnet, also besichtige ich sie. Nicht nur des Pilgerstempels wegen. Sie gehört zu den sogenannten Offenen Kirchen, wie ich im Wusterhausener Wegemuseum erfahre, wo ich nach dem Schlüssel frage. St. Peter-und-Paul ist bis auf zwei Frauen leer, die die Bänke im Kirchenschiff für den kommenden Weißen Sonntag mit Blumen schmücken. Was wären die Kirchen ohne das ehrenamtliche Engagement älterer Frauen?
Während die Kirche von außen schmucklos und eher unscheinbar wirkt, raubt mir ihr Inneres den Atem. Ein fast überladenes Museum. So viel Kunst, Kunsthandwerk und Kirchengeschichte habe ich in diesem trutzigen, wenig eleganten Bau nicht erwartet, dessen einziger Schmuck der kurze Staffelgiebel an der Rückseite darstellt. Wer durch kleine Ortschaften wie Barsikow und Wusterhausen wandert, und es gibt in Brandenburg und der Altmark zahlreiche von ihnen, dem wird schnell bewusst, dass er durch eine historisch und kulturgeographisch bedeutende Region geht, die ihre einstige Größe nur noch versteckt in Kirchen und Klöstern kirchen- und kunstgeschichtlich präsentiert. Selbst die kleinsten Orten, deren Namen ich vorher noch nie gehört habe, bewahren irgendwelche wertvollen und außergewöhnlichen Kunstschätze auf, die sie durch die Zeit gerettet haben. Wie reich, wohlhabend und bedeutend muss diese Region einst gewesen sein? Folgt man der Spur der materiellen, kirchengeschichtlichen Hinterlassenschaften, schaut sich in Kirchen und Klöstern um, entsteht der Eindruck, die Zeit ist in ihnen stehen geblieben. Das Gefühl, aus der modernen Zeit herauszutreten, ergreift mich in Brandenburg zum ersten Mal in der Basilika von Wusterhausen, deren Inneneinrichtung den Vergleich mit einem Museum nicht scheuen muss.
Kunstschätze am Rand der Ökomene Beeindruckend sind die Fresken aus dem frühen 15. Jahrhundert, die das östliche Mittelschiffgewölbe schmücken. Die Wandgemälde zeigen zoomorphe Darstellungen, Strichmännchen und humoristische Szenen. Die Fresken an den Chorpfeilern bilden die Heilige Barbara und und Heilige Magdalena ab, wie mir die Frauen erklären. Der Spätrenaissance verdankt die Kirche die außergewöhnlich beeindruckende Nordempore, die 21 Gemälde aus dem Leben Jesu versammelt, die auf einzelnen Kassetten ausgeführt wurden, die durch blinde, säulenbegrenzte Spitzbogenfenster gegliedert sind. Die prächtige Kanzel aus der gleichen Zeit quillt über von kunstfertig ausgeführter Holzschnittkunst. Den Kanzelaufgang und die Kanzel selbst umrunden die farbigen Figuren von Aposteln und Heiligen, unter ihnen auch Jakobus der Ältere, Schutzpatron der Pilger. Dass das Chorgestühl aus dem 16. Jahrhundert etwas ganz Besonderes ist, erschließt sich mir auf den ersten Blick. Die Porträtköpfe an den Chorwangen bezeugen das ästhetische Niveau dieser Zeit sowie die hohe Kunst der Holzbearbeitung. Ganz besonders fällt der individuelle Charakter der Porträts auf. Kein Gesichtsausdruck gleicht dem anderen. Keine Haartracht und keine Kopfbedeckung sind gleich. Jede einzelne von ihnen spielt plastisch mit der Vielfalt der modischen Vorlieben dieser Zeit. Renaissancekunst! Auf seinen brandenburgischen Wanderungen kam Theodor Fontane auch durch Wusterhausen, eine Stadt, von der er schreibt, sie habe im Lauf ihrer Geschichte selten mehr als 1000 Einwohner gehabt. Außer der Basilika schwärmt er von weiteren sakralen Gebäuden. Neben der Sankt Stephanus-Kapelle am Südrand der Stadt, deren Chorraum flächendeckend mit Fresken der Passion Jesu ausgemalt ist, erwähnt er ein Beginenhaus, dass während der Pilgerzeit ein Spital gewesen sein könnte, aber schon 1897 wegen Baufälligkeit abgetragen und durch einen Neubau ersetzt wurde. |
Ein weiteres Mal schultere ich meinen Rucksack. Kurz darauf liegt Wusterhausen hinter mir. Wieder bin ich unterwegs, über die Dosse, aus der Stadt hinaus und auf einem Weg am Klempow See entlang. Das Seeufer schmückt ein pappelgesäumter Weg, vorbei an einem mondänen Seerestaurant, deren Terrasse in den See hinausragt und den Blick auf Wusterhausen freigibt. See-Idylle heißt die Gastronomie, die ihr Herz für vorbeikommende Pilger entdeckt hat. Ein übertrieben plakativer Hinweis in der Restauranteinfahrt, versehen mit dem Symbol des Wilsnacker Pilgerzeichens, lässt mich befürchten, dass das Pilgern nicht nur am Camino de Santiago touristisch geworden ist. Ich will nicht behaupten, dass Pilger nichts essen müssen, doch die kapitalistische Vereinnahme einer spirituellen Idee stört mich.
Der Weg nach Kyritz ist der schönste Weg des Tages. Er windet sich unter Bäumen am See entlang und hinein in einen immer dichter werdenden Wald, der vom Seeufer einen Hügel hinaufwächst. Zwischen Eichen, Buchen und Kiefern falle ich zurück in die meditative Stimmung des Gehens durch die Natur, die zugleich ruhig und gelassen macht. Die Wellen, die der Wind plätschernd gegen die Uferböschung drückt, das vielstimmige Vogelkonzert in den Bäumen, der Friede und die Beharrlichkeit, die der Wald ausstrahlt, lösen mein Denken. Im Gehen verändert der Weg meine Wahrnehmung, die sich an den Rhythmus der Schritte anpasst und meine Gedanken flüssig werden lässt. Raum und Zeit gewinnen eine andere Qualität. Der Raum um mich herum rückt näher, umgibt mich, dringt in mich ein. Die Zeit dehnt sich und rückt von mir ab. Es kümmert mich nicht, ob sie vergeht oder stillsteht. Jetzt könnte für immer bleiben. Hier ist gut und ausreichend vorhanden. Ich gehe am See entlang und fühle mich leicht. Ich gehe, also bin ich!
In Kyritz angekommen, auf der langen Straße durch die Vororte in die Stadt, spüre ich meinen Körper wieder, die schmerzenden Füße, die müden Rückenmuskeln und das Ziehen in den Oberschenkeln. Meine Energie hat gerade noch bis Kyritz gereicht. Noch mehr Kilometer hätte ich nicht mehr gehen wollen. An einer Brücke über die Jäglitz schickt mich eine Frau zur falschen Kirche. Müde gehe ich durch die historische Altstadt von Kyritz: saniert, aufgefrischt, wie der Baubestand vieler Städte in Ostdeutschland nach der Wende. Sauber aufgeräumt, fast verkehrsberuhigt, eine Miniaturstadt, durch die einige Touristen flanieren. Hohe Häuser gibt es in Kyritz nicht, die größten Gebäude sind die protestantische Kirche und das rote Rathaus, die die alten Bürgerhäuser weithin sichtbar überragen.
Eine kurze Stadtgeschichte Kyritz, eine Kleinstadt im Landkreis Ostprignitz-Ruppin, im Nordwesten von Brandenburg; pregynica ist slawisch und bezeichnet ein unbegehbares Waldgebiet. Kyritz, das 946 erstmals erwähnt wurde, trägt im Volksmund den Beinamen an der Knatter. Das Geräusch der früher zahlreichen, knatternden Wassermühlen an einem Nebenarm der Jäglitz ist für diesen Namen verantwortlich. Den Nebenarm gibt es heute nicht mehr. Von den fünf Wassermühlen existiert von einer nur noch das ehemalige Gebäude. Im 14. Jahrhundert wurde die Stadt, die am Pilgerweg von Berlin nach Wilsnack liegt, Mitglied der Hanse. Aus dieser Zeit stammt die Pfarrkirche St. Marien sowie die Stadtmauer, deren Fragmente noch zu besichtgen sind. Bis in die Gegenwart feiert Kyritz jährlich, am Montag nach Invocavit, den doppelten Bassewitz, einen Gedenktag, dessen Legende Fontane nacherzählt. Der erste Fastensonntag besitzt in der evangelischen Theologie eine besondere Bedeutung, da er untrennbar mit den 1522 gehaltenen Invocavitpredigten Martin Luthers in Wittenberg verbunden ist. In seinen brandenburgischen Wanderungen erzählt Fontane, wie die von Bassewitz im 14. Jahrhundert zweimal versuchten, die Stadt einzunehmen, was ihnen nicht gelang. Beim ersten Versuch soll den Bürgern ein Engel geholfen haben, der auf der Stadtmauer erschien. Da es der erste von Bassewitz nicht über die Mauer geschafft hat, grub sich der zweite unter der Stadtmauer durch. Ein Gefangener im Turm, der die Geräusche des Tunnelbaus bemerkte, informierte den Bürgermeister, sodass auch dieser Angriff vereitelt werden konnte. Seit 1237 Mitglied der Hanse war Kyritz mit Stadtrechten eine wohlhabende Stadt. Daher auch das Begehren derer von Bassewitz, die Kontrolle über die Stadt zu bekommen. Der Stadtgrundriss, das Franziskanerkloster und die Stadtkirche Sankt Marien bewahren Spuren des spätmittelalterlichen 15. Jahrhunderts. In dem Franziskanerkloster, das 1303 erstmals schriftlich erwähnt wurde, lebte der Theologe Mathias Döring, an der Seite der Havelberger Bischöfe ein engagierter Befürworter der Wilsnack-Pilgerfahrt. |
Ich bin weit gegangen und sehne mich nach einer Pause, am besten auf einem Bett. Doch an der mit Altertümern reich ausgestatteten Marienkirche denke ich an die Basiika in Wusterhausen und trete ein. Die Marienkirche, eine spätgotische Hallenkirche, besitzt eine sehenswerte klassizistische Fassade, die von dem Architekten der Stadtkirche in Fehrbellin, Friedrich August Stüler, entworfen wurde. Das vielleicht interessanteste Exponat, neben den zahlreichen anderen, ist wohl eine weitere der Anna-Selbdritt-Skulpturen, die die Popularität des mittelalterlichen Annenkults am Pilgerweg nach Wilsnack bezeugen.
Der Annenkult der Pilgerzeit und die Kunstschätze der Marienkirche Die christliche Ikonographie verwendet den Bildtyp Anna selbdritt, der zu den Andachtsbildern gehört, für eine Darstellung der heiligen Anna mit ihrer Tochter Maria und dem Jesuskind. Der Name selbdritt ist eine veraltete Bezeichnung, und bedeutet Teil einer Dreiergruppe oder einfach nur: zu dritt. Der Bildtyp Anna selbdritt ging aus dem volkstümlichen, mittelalterlichen Annenkult hervor. Biblische Quellen über die Eltern Marias, Anna und Joachim, zu denen später noch Annas Mutter Emerantia kam, existieren nicht. Die vielen künstlerisch gestalteten Themen des Marienlebens, zu denen auch Anna selbdritt gehört, gehen insbesondere auf das apokryphe Protoevangelien sowie die populäre Legenda aurea des Jacobus de Voragine zurück. Protoevangelium wird der Bericht des Jakobus deshalb genannt, weil es keine Darstellung des Lebens Jesu enthält, wie für die kanonisierten Evangelien üblich, sondern das Leben der Maria schildert. Der Autor der Schrift Geburt und Ursprung Marias – Offenbarung des Jakobus, wie der Text ursprünglich hieß, ist der sogenannte Bruder des Jesus, auch Herrenbruder oder Jakobus der Gerechte genannt. Als Bruder Jesu war er eine einflussreiche Persönlichkeit in der Jerusalemer Urgemeinde. Ob Bruder leibliche Verwandtschaft impliziert, oder ein Terminus zur Bezeichnung enger Vertrauter untereinander auf einem gemeinsamen Weg ist, wie das afro-amerikanische brother, bleibt trotz verschiedener Hypothesen weitgehend ungeklärt. Im Protoevangelium berichtet Jakobus von dem betagten Tempelpriester Joachim, der nach langer Ehe mit seiner Frau Anna kinderlos blieb. Schließlich erschien beiden ein Engel, der ihnen die Geburt ihrer Tochter Maria weissagte. Vor diesem Hintergrund führte Papst Sixtus IV. einen Anna-Tag in den römischen Heiligenkalender ein, der den Annenkult in Europa institutionalisierte. In West-, Mittel- und Osteuropa verbreitete sich daraufhin der Annenkult sprunghaft und Annenaltäre und -kapellen, in denen häufig Statuen der Anna selbdritt aufgestellt wurden, spielten eine große Rolle in der Volksfrömmigkeit. Wie das achteckige romanische Taufbecken aus dem 13. Jahrhundert in die Marienkirche kam, und wer die Figuren auf der Wandung aus dem dunklen Granit ins Leben gebracht hat, ist nicht bekannt. Stark expressionistisch hat der anonyme Bildhauer zwei Propheten mit alttestamentlichen Schriftrollen, zwei Apostel mit Büchern des Neuen Testaments sowie Maria und die Taufe Jesu im Jordan aus dem Stein geschnitten. Wenn mich auch die auf das Wesentliche reduzierte Formensprache des Taufbeckens beeindruckt hat, ist das schönste Exponant der Marienkirche doch der zweiflügelige Achatius-Altar, ein seltenes Werk mittelalterlicher Handwerkskunst von kunsthistorischer Bedeutung und der einzige Altar dieser Art in Nordostdeutschland. Ihn nicht zu besichtigen ist aufgrund seiner Einzigartigkeit am Weg nach Wilsnack ein kardinaler Fehler. Der Altar aus dem 14. Jahrhundert ist nicht nur wegen seines künstlerischen Ausdrucks und seines Alters außergewöhnlich, er verfügt zusätzlich über eine bewegte Vergangenheit. Auf zwölf Holztafeln hat ein anonymer Künstler die antike Sage des Märtyrertods eines römischen Offiziers und seiner 10 000 Soldaten im gotischen Stil ins Holz gebannt. Während der Regierung des oströmischen Kaisers Hadrian (117–138) wurden Achatius und seine Gefolgsleute geblendet, gesteinigt, aufgespießt und schließlich wegen ihres Glaubens auf dem Berg Ararat gekreuzigt. So jedenfalls überliefert es die Heiligenlegende. Achatius ist einer der vierzehn Nothelfer der katholischen Kirche. Nothelfer sind Heilige aus dem zweiten bis vierten Jahrhundert, die alle bis auf einen als Märtyrer starben. Achatius wird vor allem in Süddeutschland bei Todesangst und zum Schutz vor bösen Krankheiten angerufen. Auch aus diesem Grund ist es kurios, diesen besonders prächtigen Altar so weit im Norden zu finden. Ursprünglich war dieser Altar nicht in Kyritz zuhause. Wiedergefunden wurde die zwölfteilige Bildergeschichte des Altars in den 1960er Jahren beim Abriss der Kirche in Brüsenhagen. Nachdem die Tafeln mehrere Jahre auf einem Heuboden in Kolrep gelagert wurden, kamen sie 1979 in heruntergekommenem Zustand nach Kyritz. Dass der geschnitzte Altar wieder in seinem ursprünglichen Zustand besichtigt werden kann, verdanken die Kyritzer dem Engagement ihres ehemaligen Superintendenten Friedrich Brust. |
Die Pilgerherberge befindet sich nicht in der Marienkirche, wie ich dachte, sondern im Turm der katholischen Heilig-Geist-Kirche, auf der anderen Seite der Stadt. Trotz meiner Email-Anmeldung ist das Pfarrbüro geschlossen und Pfarrer H. nicht im Hause. Die Telefonnummer, die er mir gestern als SMS schickte, ist nicht besetzt. Mir bleibt nichts anderes übrig als mich auf den Stufen der Kirchentreppe einzurichten. Sofort errege ich die Aufmerksamkeit der wachsamen Nachbarschaft. Erst nachdem ein Mann mehrmals mit seinem Hund an mir vorbeigegangen ist, spricht er mich an. Als ob dies in Kyritz etwas Ungewöhnliches, vielleicht sogar Unerhörtes ist, will er wissen, warum ich auf den Stufen sitze, und wie es denn weiter gehen soll. Er ist ein freundlicher und hilfsbereiter Nachbar, und besorgt mir schnell und uneigennützig mein Nachtquartier. In der neuen und modern eingerichteten Pilgerherberge im Turm der Heilig-Geist-Kirche finden meine müden Füßen endlich die verdiente Ruhe. Kaum liege ich auf dem Bett als ich einschlafe und erst zwei Stunden später, als es bereits dunkel ist, wieder wache werde. Erst später, als ich die Ereignisse des Tages notiere, fällt mir auf, dass ich mich im Datum geirrt und ich mich erst für morgen in der Herberge angemeldet habe.
Verkaufsschlager Pilgerzeichen Merchandising, sieht man von dem Begriff selbst ab, ist keine Erfindung der Postmoderne. Im Spätmittelalter gab es im christlichen Europa hunderte Wallfahrsorte mit einem umfangreichen Warenangebot für den spirituellen Beistand. Dazu gehörten besonders kleine Heiligenfiguren, Votive, Amulette und vor allem die regionalen Pilgerzeichen, kleine aus Weißmetall gegossene Bildchen, die mit Ösen an der Kleidung befestigt wurden. Auf ihnen war der verehrte Heilige oder das Kultobjekt abgebildet, wie beispielsweise die Wunderblut-Hostien auf den Pilgerzeichen von Wilsnack, die auch die Wegmarkierung des Pilgerwegs Berlin - Wilsnack kennzeichnen. Die Jakobsmuschel, teilweise mit dem roten Tatzenkreuz des Santiago-Ordens verziert, baumelt inzwischen an fast allen Rücksäcken der Pilger auf dem Camino de Santiago und ist wahrscheinlich das international bekannteste Pilgerzeichen überhaupt Pilgerzeichen beanspruchten als symbolisches Trachtabzeichen nicht, eine Wallfahrt auch absolviert zu haben. Die an Hut oder Kleidung gut sichtbar getragenen Pilgerzeichen kennzeichneten den Pilger, dessen Tracht, Hut, Mantel und Stab, ihn unverwechselbar machte. Ein zusätzlich getragenes, auch gesegnetes Pilgerzeichen sicherte ihm Unterkunft und Verpflegung, Rechtsschutz, aber auch Schutz vor räuberischen Übergriffen, da nur wenige sich an der Aura von Spiritualität, die einen Pilger umgab, vergreifen wollten. Pilgerzeichen waren ein Verkaufsschlager und das erste europäische Massenmedium. Eine Konstanzer Chronik von 1466 berichtet von 130 000 verkauften Pilgerzeichen aus der Wallfahrts- und Klosterkirche des Klosters Einsiedeln allein in den zwei Wochen des Engelweihfests. Die Schwarze Madonna von Einsiedeln ist ein spätgotisches Gnadenbild aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, schwarz vom Ruß der Kerzen, das Pilger aus ganz Europa anzog. Für Wilsnack vermutet eine Info-Tafel in der Nikolai-Kirche vergleichbare Zahlen. Die Forschung spricht von Millionen in Europa verkaufter Pilgerzeichen von denen bisher erst 15 000 unterschiedliche bekannt geworden sind, da im Mittelalter fast jedes Metall recycelt wurde. In Skandinavien sowie in Nord- und Mitteldeutschland war es üblich, die Zeichen beim Guss in Glocken zu drücken, wo sie als Abdruck erhalten blieben. Pilgerzeichen kennt man gegenwärtig aus 400 Wallfahrtsorten. Den Ursprung dieser symbolischen Bildzeichen sieht man in der Jakobsmuschel, die gleichzeitig das erste Pilgerzeichen gewesen sein soll. Jedes Pilgerzeichen repräsentiert eine Wallfahrt, auf der es erworben und abschießend mit an den heimatlichen Wohnort gebracht wurde. Pilgerzeichen bieten hervorragende Indizien für die Mobilität und den wirtschaftlichen und kulturellen Austausch im mittelalterlichen Europa, da sie räumlich-geograpische Bewegungsprofile der Wege ermöglichen, auf denen sich die Menschen bewegt haben und sich begegnet sind. Während die Zahl der Pilgerzeichen bis ins 15. Jahrhundert immer weiter angestiegen ist, fehlen sie seit der Reformation in vielen Regionen völlig. Erst im 17. Jahrhundert erlebte das Wallfahrtswesen durch die Aktivitäten der Jesuiten eine neue Blüte. |
Reisende, deren Reisen sich über die Zeit hinweg vernetzen. Pilger, die das Fremde und die Bewegung in ihr exotisieren, die Reisen in der eignen und in fremden Kulturen romantisch verklären. Im Leser, der von ihren Erlebnissen schriftlich erfährt, wecken sie die angenehm unterhaltsame Illusion des konstruktiven Eskapismus. Alles wird Weg: Straße, Horizont, Wind und Regen, Bewegung, Draußen. Schließlich gibt es keinen anderen Grund mehr für die Bewegung als die Bewegung selbst, so beginnt Michael Obert seinen Reiseroman Chatwins Guru und ich. Niemand darf sich der Vorstellung hingeben, Pilgertagebücher berichten über die Wirklichkeit. Wie Romane erzählen sie fiktive Geschichten. Zwar geben sie vor, nur das aufzuschreiben, was sie mit ihren eigenen Augen gesehen haben. Aber gelingt das überhaupt? Und was sehen sie noch, wenn sie etwas mit eigenen Augen sehen? Und was machen die anderen Sinne, wenn die Augen schauen? Wichtig ist auch das Wissen des Autors, das er in den Hintergrund seiner Erzählungen einstreut. Ist der Pilger in seinen Texten Journalist, ist er Ethnograph oder ist er Dichter? Oder ist er gar ein Erzähler?
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